Biathlon Abschied Nadine Horchler
Nach über 20 Jahren hängt Biathletin Nadine Horchler die Waffe an den Nagel
Der Ski-Club Willingen sagt DANKE an eine tolle Sportlerin
Nach über 20 Jahren hängt Biathletin Nadine Horchler die Waffe an den Nagel
Damals wie heute: Ihr erstes Rennen bestritt Nadine Horchler vor über 20 Jahren als Langläuferin in einem gelb-blau-weißen Laufanzug des SC Willingen – in genau diesem Dress verabschiedete sich die 33-Jährige am Samstag beim Deutschlandpokal-Finale in Ruhpolding vom Biathlon-Zirkus. Künftig widmet sich die Heilpraktikerin für Psychotherapie als Vollzeitstudentin in Hall in Tirol einem Psychologiestudium.
Bei ihrem letzten Massenstart kam sie fehlerfrei durch die ersten beiden Liegendschießen, doch im ersten Stehendanschlag blieben drei und im zweiten eine weitere Scheibe stehen – nach 37:10 Minuten sicherte sie sich dann Rang zwei hinter Hanna Kebinger (SC Partenkirchen; 36:21,2/2 Fehler). Und ganz nebenbei schnappte sich Nadine Horchler in der Pokalendwertung mit 198 Zählern den Gesamtsieg. Nicht nur Nadines Familie, sowie Freunde aus der Heimat als auch eine Abordnung des SC Willingen mit Sportwart Volkmar Hirsch an der Spitze und des Hessischen Skiverbandes waren nach Ruhpolding gereist, auch die Kameraden aus der Mittenwalder Trainingsgruppe von Bernhard Kröll, wo Nadine seit vielen Jahren trainierte, haben ihr am Samstag einen emotionsreichen Abschied mit Plakaten und einer Sektdusche bereitet, als sie mit der Willinger Fahne ins Ziel lief.
„Ich schaue mit einem weinenden Auge (nach 20 Jahren Biathlon und 14 Jahren als Profi, dass es nun wirklich vorbei ist) und mit einem lachenden, glücklichen Auge auf die ereignisreiche und tolle Zeit zurück“, schrieb sie Anfang der Woche auf der Social-Media-Plattform Instagram. Bei den Deutschen Roller-Meisterschaften vergangenen Herbst hatte sich die Wahl-Mittenwalderin nicht für den Weltcup empfohlen. Außerdem qualifizierte sie sich nicht für den zweitklassigen IBU-Cup, der fest eingeplant war. Stattdessen hieß es Alpencup und Deutschlandpokal. „Auch wenn meine letzte Saison sportlich völlig anders lief, wie ich sie mir im Mai 2019 vorgestellt habe, als ich entschieden habe, dass dies meine letzte Saison wird, hat sich unerwartet alles anders ergeben und vieles zum Positiven gewendet“, so Nadine Horchler. „Ich schaue mit zwei lachenden, glücklichen Augen in die Zukunft als Vollzeitstudentin, worauf ich mich freue und auf alles, was sich sonst noch so ergibt nach dem Leistungssport.“
Ihren Heilpraktiker für Psychotherapie hat sie bereits vor drei Jahren abgeschlossen – für die Zeit nach dem Sport. Denn sie gehört zu denen, die gern planen, nichts spontan entscheiden. Auch wenn sich im Leistungssport leider wenig planen lässt, wie ihre letzte Saison zeigt. Ihr Weltcup-Debüt gab Nadine übrigens im Winter 2010/11, am 22. Januar 2017 feierte sie ihren größten Erfolg: ein Sieg im Massenstart von Antholz. Trotzdem war ihre Karriere geprägt vom Kampf um Start- und Kaderplätze - und Durchhaltevermögen. Beschreibend dafür war der Winter 2010, als sie nebenbei in Mittenwald als Kellnerin arbeitete, um ihren Sport finanzieren zu können, da sie aus der Sportfördergruppe der Bundeswehr genommen wurde. Jahr für Jahr trat sie mit dem Ziel an, sich für den Weltcup zu qualifizieren, sich dort zu etablieren. Doch von Jahr zu Jahr wurde es schwieriger. Nach guten Ergebnissen im IBU-Cup durfte sie am 17. März 2011 beim Weltcupfinale in Oslo am Holmenkollen starten und holte mit Rang 31 erste Weltcuppunkte. Ab Beginn der Saison 2012/13 gehörte sie zur Weltcupmannschaft und lief als Schlussläuferin der Damenstaffel zusammen mit Tina Bachman, Miriam Gössner und Franziska Hildebrand in Oberhof zum ersten Mal ihrer Karriere auf das Podest. Im Januar 2013 erreichte sie in Antholz im Sprint und in der Verfolgung den fünften Rang, ihre bis dahin besten Einzelergebnisse im Weltcup. Drei Tage später gewann sie zusammen mit Franziska Hildebrand, Miriam Gössner und Andrea Henkel mit der Damenstaffel ihren ersten Weltcup. Im weiteren Verlauf ihrer Karriere musste sie sich immer wieder mit guten Leistungen im IBU-Cup für einen Start im Weltcup empfehlen, manchmal ohne einen Kaderstatus zu haben. In der Saison 2015/16 gewann sie die Gesamtwertung des IBU-Cups und auch die Sprintwertung, nachdem sie zuvor im russischen Tyumen Sprint-Europameisterin wurde. Beim Weltcup am 22. Januar 2017 in Antholz qualifizierte sich Nadine Horchler nur für die Nachrückerliste des Massenstarts - rückte nach Startverzicht einiger Biathletinnen aber tatsächlich auf den 30. und somit letzten Startplatz ins Starterfeld. Alle vier Schießeinlagen absolvierte sie fehlerfrei und feierte damit ihren ersten Weltcupsieg vor Laura Dahlmeier und Gabriele Koukalova. Dieser Sieg sollte der größte Erfolg in ihrer Biathlonkarriere bleiben. In den folgenden Jahren wurde sie immer mal wieder ins Weltcupteam berufen, im März 2019 lief sie ihr letztes Weltcuprennen beim Saisonfinale in Oslo. Ihr allerletztes Rennen im Laufanzug, in dem damals alles begann, am 29. März 2020.
„Nadine war eine tolle Sportlerin und ein tolles Vorbild. Sie war immer freundlich, hat gekämpft und ist ihren Weg gegangen. Wir sind stolz, dass sie unserem Verein immer treu geblieben ist und wir wünschen ihr für die Zukunft alles Gute“, sagte Präsident Jürgen Hensel vom Ski-Club Willingen vertretend für den gesamten Vorstand des Vereins.