FreeWilli-Bericht - Meine zweite Heimat Willingen
Meine zweite Heimat Willingen – Seit fünf Jahren bin ich ein Free Willi
Willingen – „Ziiieeehhh“, das ganze Stadion brüllt. Der Lokalmatador Stephan Leyhe ist in der Luft. Ich stehe im Subpressezentrum, nur unweit von der Schanze entfernt. Nur wenige Journalisten sind noch im Gebäude, die meisten schauen sich das Spektakel draußen an, genau wie die freiwilligen Helfer in Orange. Ein weiter Sprung, Telemark, Leyhe ist auf Platz eins, vorerst. Denn jetzt kommt Kamil Stoch. Mein Herz pocht, die Anspannung ist riesig. Stoch springt ab, eine ruhige Lage in der Luft und dann die Landung: Zu kurz, ein Freudenschrei kommt aus meinem Mund: „Jawoll“. Die anwesenden Journalisten gucken mich überrascht an und müssen teilweise schmunzeln. Mir ist das egal, ein atemberaubender Moment, die Emotionen überkommen mich. So etwas habe ich in fünf Jahren Weltcup noch nicht erlebt. Seit 2016 bin ich ein Free Willi, in dem Jahr fing alles an.
Es ist Anfang Januar, Waldeck-Frankenberg ist von Schnee bedeckt. Ich sitze im Zug, auf dem Weg in mein erstes Schulpraktikum. Die Regionalbahn fährt über die große Willinger Brücke, die Aufregung wird größer. Der Zug hält an, ich steige aus.
Das ist der Beginn eines dreiwöchigen Praktikums, das für mich unvergesslich werden soll. Denn durch die Einblicke in den Beruf des Veranstaltungskaufmanns, in der Geschäftsstelle des Ski Clubs Willingen, habe ich meine Leidenschaft für den Journalismus und den Skisprung-Weltcup entdeckt. Ein Grund dafür waren sicherlich die tollen Erfahrungen, die ich in Willingen machen durfte. Ein Blick hinter die Kulissen eines Events, das jährlich von 50.000 Zuschauern besucht wird.
Ein Highlight sticht in diesen drei Wochen besonders heraus, es ist der Weltcup-Samstag. Am Ende des Wettkampf-Springens durfte ich den Auslauf der Schanze betreten und erlebte die Siegerehrung mit. Fotografen, Journalisten und natürlich die Sportler, so nah war ich ihnen bisher noch nicht gekommen. Ganz besonders ist für mich noch heute ein Foto mit dem Skispringer Andreas Wank. An diesen Moment erinnere ich mich immer wieder gerne zurück.
Neue Herausforderung im Presseteam
Ein Jahr nach meinem Schulpraktikum war ich beim Weltcup wieder dabei. Ich wechselte dann in das Weltcup-Presseteam. Mein Wunsch war es, auch weiterhin bei diesem Skisprung-Spektakel dabei sein zu können. Ich wollte allerdings etwas Neues ausprobieren. Die richtige Entscheidung, wie sich herausstellen sollte.
Ich wurde in ein großartiges Team aufgenommen. Jeder ist sich seiner Aufgaben bewusst. Aufgeteilt in Teams an der Schanze und der Tourismus-Information am Lagunenbad sorgen wir dafür, dass die zahlreichen Journalisten optimal arbeiten können und versorgen sie mit allen wichtigen Informationen. Aus diesem Grund habe ich während der Arbeit auch schon manche Moderatoren oder Reporter von den Fernsehteams kennengelernt. Eine spannende Aufgabe, bei der ich sogar einmal live bei einer Übertragung des ZDF zuschauen durfte.
Doch auch auf der Schanze kam ich bereits zum Einsatz. Ist ein Wettkampf vorbei, teilen wir uns in verschiedene Teams auf und bauen den roten Teppich, das Podium und die Sponsorenwand für die Sportler auf. Letztere muss während der Zeremonie von Helfern gestützt werden. Auch diese Aufgabe durfte ich schon übernehmen. Ein komisches Gefühl, wenn die Sportler so dicht vor einem stehen, nur durch diese dünne Wand getrennt. Zumal das Ganze live übertragen wird, da darf kein Fehler passieren.
Nach dem Springen und der Siegerehrung ist der VIP-Bereich gut gefüllt. Auch die Sportler versammeln sich häufig dort. Wenig Fans haben noch Zutritt, dann können auch wir vom Ski-Club auf Autogrammjagd gehen. Natürlich nicht privat, sondern für den SCW.
In meinem ersten Jahr im Presseteam durfte ich beispielsweise Autogramme für einen Jungen sammeln, der aus gesundheitlichen Gründen nicht an die Mühlenkopfschanze kommen konnte, eine Herzensangelegenheit für mich, den Ski Club und auch die Springer. Alle gaben sich besondere Mühe und wir überreichten dem Skisprungfan nach dem Weltcup ein tolles Andenken.
Nach dem Weltcup ist vor dem Weltcup
Es sind die kleinen Dinge, die mich in Willingen glücklich machen, das habe ich in den fünf Jahren entdeckt. Es ist zwar spannend, wenn bekannte Musiker, Journalisten, Trainer oder natürlich auch Sportler um einen herum sind. Doch viel schöner ist es, wenn man mit einer Gruppe zusammenarbeitet, die sich untereinander sehr gut versteht und für jedes Problem eine Lösung findet.
In meiner Zeit als Free Willi haben sich bei mir gute Bekanntschaften, wenn nicht sogar Freundschaften entwickelt. Obwohl ich viele der Helfer nur an diesem einen Wochenende zu Beginn des Jahres sehe, verstehe ich mich mit allen gut, auch mit einigen Free Willis, die nicht im Presseteam sind. Dieser Teamgeist ist schon etwas ganz Besonderes und sicherlich auch ein maßgeblicher Grund dafür, dass der Willinger Weltcup einer der beliebtesten weltweit ist. Nicht umsonst schwärmen viele Fans, Sportler und Verantwortliche von der Atmosphäre an der Mühlenkopfschanze.
Damit wir diesem Anspruch gerecht werden können, gilt im Team ein Leitspruch: „Nach dem Weltcup ist vor dem Weltcup“. Auch wenn ich am Sonntagabend die Schanze sicherlich immer auch mit einem weinenden Auge verlasse, ist die Vorfreude auf den nächsten Weltcup bereits groß. Auf ein Neues in 2021.
von Silas Klöcker