FreeWillis - Serie - Fahrdienst
Einblicke in die Welt des Fahrdienstes beim Weltcup
Was passiert eigentlich, wenn der neue FIS Weltcup-Race-Direktor Sandro Pertile keinen Zutritt zum Skispringen erhält, da er seine Akkreditierung im weitläufigen Gebiet der Mühlenkopfschanze verloren hat und ihn am Kontrollposten des Anlaufturms niemand erkennt? Dann springt der Fahrdienst beim Willinger Weltcup als helfende „Free Willi“-Hand ein. Bei seiner Suche bis unten im Auslauf wurde der vom Regen völlig durchnässte Italiener vom stellvertretenden Fahrdienstleiter Kevin Zigeuner erkannt und eingefangen. Letztendlich fand das Duo auch die Akkreditierung abseits im Schnee liegend wieder. Sandro Pertile konnte bei seiner Premiere an der Mühlenkopfschanze seinen Job erledigen, fand in den „Free Willis“ neue Freunde und trat in seinem Bekanntheitsgrad nicht nur wegen dieser kleinen Geschichte endgültig aus dem Schatten seines Vorgängers Walter Hofer.
Den Österreicher kannte in Willingen jedes Kind, seitdem er vor Jahren mit einer Leiter aus luftiger Höhe aus der ausgerechnet bei der Premiere streikenden Standseilbahn befreit werden musste. Auch damals sprang der Fahrdienst ein und holte das notwendige Ersatzteil für die Bahn vom Bodensee. Der Willinger Fahrdienst ist ein längst Markenzeichen in der Skisprung-Szene und bürgt für Qualität, auch wenn sie die Mannen um Uwe Donath-Görlich hin und wieder auch Schimpfkolonaden gefallen lassen müssen, wenn wieder einmal ein Medienmensch glaubt, der allerwichtigste rund um die durch Zuschauermassen verstopfte Schanze zu sein und so schnell wie möglich von A nach B kommen muss.
Auch weil der Ampel-regulierte alte und für die offiziellen Autos reservierte alte Fahrweg mal wieder von neugierigen Skisprung-Fans benutzt und verstopft worden ist, die sich über die Verkehrsregelung hinweggesetzt haben. Die heute rund 60 Fahrerinnen und Fahrer, die beim „Geisterweltcup“ und diesjährigem COC ohne Publikum und VIPs aber nicht alle im Einsatz waren, und mit rund 15 statt der üblichen 25 Fahrzeugen auch nur 25.000 statt der üblichen 36.000 Kilometer zurückgelegt haben, stecken diese Kritik inzwischen locker weg und erfreuen sich stattdessen lieber an den kleinen Dankeschön-Geschenken wie einem Fässchen Altbier oder einer Schwarzwälder Torte, die langjährige „Stammkunden“ immer wieder mit nach Willingen zum Kultweltcup bringen.
Am Anfang kamen fast alle Fahrer aus dem Upland rund um Schwalefeld. Viele hatten in dem Ortsteil Fußball gespielt und sich für den neuen Job begeistert gezeigt. Dagmar Bärenfänger, Thomas Behle, Olaf Wilke, Ralf Dietrich und „Oldie“ Hartmut Schnautz sind eben den Görlichs von Anfang an dabei und bilden den harten Kern. Inzwischen ist der Kreis aus der gesamten Region erweitert worden, haben sich immer neue Freiwillige über EWF, Freunde und Bekannte bis hin aus Melsungen, Fritzlar und Korbach gefunden, die Spaß am Fahrdienst und dem Weltcup haben.
„Es gibt fast nichts, was wir noch nicht gefahren haben“, sagt Urgestein „Harti“ Schnautz. Von Ersatzteilen, Werkzeug, Strohballen über Essen und Trinken für die Verpflegung der Helfer bis hin zu Sportlern, Trainern, Funktionären und Experten aus aller Welt von Noriaki Kasai bis Sven Hannawald, Simon Ammann bis Günther Jauch, Jens Weißflog oder Dieter Thoma, prominenten Sportlerinnen und Sportlern wie Carolin Schäfer, Henry Maske, Heiner Brand, Niki Lauda, Afons Hörmann, Thomas Bach usw. oder Stars und Sternchen wie Glasperlenspiel, Alvaro Soler, Scooter oder Alex Lück, politischer Prominenz aus dem Landkreis, dem Land Hessen oder dem Bund von Kanther bis Bouffier.
Angst vor großen Namen hat der Fahrdienst nicht. Das beweisen auch die vielen Fotos und neuerdings Selfies mit den hohen und bekannten Gästen. Uwe Donath-Görlich wundert sich nur, wie viele Menschen seine Telefonnummer kennen und sich immer wieder bei ihm mit kleinen Wünschen melden. „Von Pointner bis Stöckl, oder den Fettner-Brüdern, um nur einige wenige zu nennen.“
Apropos Alex Lück. Die An- und Abreise des Weltstar-DJs und seines Assistenten entpuppte sich nach verpassten Flugzeug, vergessenem Computer-Stick und angeblich viel zu kleinem Bus für zwei Personen (!) extrem schwierig. Der Star wollte seinen Auftritt bei der Eröffnungsfeier sogar schon platzen lassen. Der Fahrdienst löste nicht nur diese Probleme, sondern war auch zur Stelle, als Michael Neumayer mit Fieber in die bayerische Heimat gefahren werden musste oder Severin Freund noch einen wichtigen Termin beim Sprunganzug-Schneider hatte. Österreichs Trainer Alexander Pointner schwörte mit seiner Truppe auf Quad-Touren im Waldecker Upland, um ihr Abwechslung zu bieten. Er war bei Uwe Donath-Görlich genau an der richtigen Stelle. Und der Fahrdienst besorgte auch Heiner Saures Skispringer-Salami für den Tournee-Bus der ÖSV-Adler, bevor diese wieder aus dem Waldecker Upland abreisten.
„Wir könnten so manche Dönekes erzählen“, sagt Donath-Görlich. Aber zu dem Fahrer-Job gehört auch Vertrauen und Verschwiegenheit. Nicht zuletzt deshalb haben sich Freundschaften entwickelt. Etwa zum früheren Schanzenrekordler Janne Ahonen, den Frank „Rehlein“ Leyhe und Tapio Ege sogar zu Hause in Lahti besucht haben und ihm wertvolle Tipps für das Dach seines gerade im Ausbau befindlichen Eigenheimes geben konnten. Natürlich passierten auch hin und wieder kleine Pannen. Entweder hatten die Japaner gar keine oder eine falsche Ankunftszeit inklusive Treffpunkt am Flughafen angegeben oder sie die Fahrdienst-Zentrale wegen der akuten Sprachschwierigkeiten einfach auch nur falsch verstanden. Am Ende aber kamen auch die Japaner inklusive Kasai immer wieder gut an und gerne nach Willingen.
Auch „Harti“ Schnautz muss sich immer wieder anhören, dass er den Stefan Horngacher zwar pflichtgemäß am Flughafen-Gate in Empfang genommen hatte, sich dann aber gemeinsam mit dem heutigen Bundestrainer auf die Suche nach seinem Fahrzeug begeben musste, weil er versäumt hatte, sich Stockwerk und Stellplatz in der Tiefgarage zu notieren. „Wir sind aber noch pünktlich nach Willingen gekommen“, schmunzelt „Harti“ heute selbst gerne über den kleinen Vorfall. Zum Job des Fahrdienstes gehört natürlich auch die Wagenpflege vor, während und nach dem Weltcup, damit die Subarus der Firma Schüppler, die Fahrzeuge der Bauunternehmen wie Wachenfeld aus der Region, von Mercedes Kassel oder Best, Paul Wittler in Frankenberg möglichst unfallfrei und gepflegt wieder in die heimische Garage gebracht werden können. Und damit es nur wenige Strafzettel gibt, wird auch immer wieder auf den sauberen Fahrstil hingewiesen…