Interview mit Markus Eisenbichler
"Die Berge geben mir Kraft“
Markus Eisenbichler über Hausarbeit, seinen Kindheitstraum und den Weltcup in Willingen
Markus Eisenbichler ist nach einer starken Sommervorbereitung samt deutschem Meistertitel seit Wochen der beste deutsche Skispringer. Zum Weltcup in Willingen reist der 29-Jährige als Zweiter der Gesamtwertung an und zählt zu den Favoriten auf den Sieg. Doch davon will der Bayer nichts wissen. „Ich will nur gute Wettkämpfe machen. Dann werden wir sehen, wozu es reicht.“ Im Interview verrät Eisenbichler, warum er nicht mehr Skispringer werden würde und was er an Fußballer Thomas Müller mag.
Herr Eisenbichler, man könnte behaupten, dass Sie ohne Zuschauer besser springen ...
Nein, den Sport mache ich für mich, da ist es ganz egal, ob fünf oder ein paar tausend Zuschauer an der Schanze stehen. Ich springe gern und das steht im Vordergrund.
Sieben Mal unter den besten Drei und nur zwei Patzer mit den Plätzen 28 und 35 – Ihre Form ist sehr konstant. Woran liegt’s?
Das fragt man sich immer: Vergangene Saison habe ich auch gut trainiert, es hat aber trotzdem nur wenig funktioniert. Im nächsten Jahr trainiert man ähnlich, aber man hat den Druck nicht mehr. Ich musste nichts beweisen, habe entspannt trainieren können und hatte extrem viel Spaß dabei, das war – glaube ich – der Knackpunkt. Und die Zeit Zuhause durch Corona hat mir sehr gutgetan.
Haben Sie sich selbst zu viel Druck gemacht?
Das würde ich gar nicht sagen. Im täglichen Training will ich auch immer das Maximum herauskitzeln, das sollte man ja auch anstreben. Aber es kann eben auch nach hinten losgehen, und schon ist man nicht mehr in der Weltspitze, sondern nur noch im Mittelfeld. So lang mir das Ganze aber Spaß macht, mache ich weiter.
Durch den Erfolg stehen Sie mehr im Mittelpunkt. Genießen Sie das, oder haben Sie lieber Ihre Ruhe?
Es ist schon schön, aber ich mache den Sport für mich. Nicht, damit ich berühmt werde. Als kleiner Junge habe ich das Skispringen lieben gelernt, und ob ich jetzt erfolgreich bin oder nicht, Hauptsache ich habe Spaß dabei. Aber natürlich strebe ich an, gut zu sein und vorn mitzuspringen. Derzeit läuft‘s ja ganz gut.
Ihr Kindheitstraum ist der Gesamtweltcupsieg. Außerdem wünschen Sie sich ein Haus mit Sauna, eine eigene Familie und Kinder – wo sind Sie näher dran?
Derzeit bin ich näher am Gesamtweltcupsieg (lacht), aber mit dem Haus und der Familie sieht’s auch gut aus. Sportliche Erfolge sind recht kurzlebig, davon kann ich mir später nichts mehr kaufen, es höchstens den Kindern erzählen. Mein Bestreben ist, irgendwann ein Haus zu haben und es mit meiner Frau und den Kindern zu genießen, das ist mein Lebensziel.
Und als Bayer bleiben Sie auch in den Bergen?
Genau. Ich bin stolz auf meine Heimat. Ich bin in den Bergen aufgewachsen, sie geben mir Kraft und beruhigen mich sehr. Ich bin oft in den Bergen unterwegs, um abzuschalten und den ganzen Trubel ums Skispringen wegzuwischen. Andere Sachen wie meine Familie oder meine Freundin sind eben viel wichtiger, als erfolgreich im Sport zu sein. Außerdem habe ich daheim super Freunde und bin dort glücklich. Und wenn das Umfeld passt, passen auch die sportlichen Leistungen. Das habe ich über die Jahre gemerkt.
2012 waren Sie weit entfernt von diesem Erfolg: Ein Sturz, bei dem Sie sich einen Wirbelbruch zugezogen haben, hätte fast das Ende Ihrer Sportlerkarriere bedeutet. Haben Sie das noch im Hinterkopf?
Nein, aber ich bin glücklich, dass es passiert ist. Früher habe ich mich auf mein Talent verlassen, das Spingen war eine Gaudi und ich wollte mal gucken, wo ich hinkomme. Dann fällt man eben mal auf die Fresse, das hat mir sehr gutgetan und mich wachgerüttelt.
Würden Sie sich eigentlich wieder für das Skispringen als Job entscheiden?
Nein. Auch wenn ich Skispringen liebe. Aber es sind oft nur Kleinigkeiten, die ein funktionierendes System kaputtmachen können. Ich habe früher Eishockey gespielt, das würde mir gefallen. Und im Mannschaftssport fällt es nicht sofort auf, wenn man mal nicht so gut drauf ist.
Durch Ihren Sport sind Sie viel unterwegs und packen Ihre Tasche immer sofort aus. Sie sind also recht ordnungsbewusst?
Ja. Wenn ich im Hotel ankomme, muss ich meine Sachen immer auspacken und sortieren. Auch an der Schanze ist mein Platz immer sehr aufgeräumt, ich mag Sauberkeit. Mich beruhigt es, wenn alles seinen Platz hat, dann kann mich nichts stressen.
Ist das Zuhause auch so? Wer übernimmt bei Ihnen die Hausarbeit?
Die Hausarbeit teilen wir uns. Ich putze auch mal, wische durch und bügele. Ich habe da keine Probleme mit. Da unterstütze ich gern meine Freundin.
Ihr Idol ist Fußballer Thomas Müller. Was hat er, was Sie nicht haben?
Mehr Geld (lacht). Er mag auch seine Heimat, ist glücklich, wenn er gut Fußball spielt. Und er macht auch keinen Hehl daraus, wenn’s mal nicht läuft, dann sagt er das – und das gefällt mir.
Ab Freitag steht der Weltcup in Willingen an. Haben Sie besondere Erinnerungen?
2019 bin ich Zweiter geworden. In der Saison stand ich nicht oft auf dem Podest, von daher war das sehr cool.
Eisenbichler siegt 2021. Wie klingt das?
Das wäre schön, aber ich sehe das entspannt. Ich will nur gute Wettkämpfe machen. Dann werden wir sehen, wozu es reicht.
Willingen ohne Zuschauer ist ...
... traurig. Aber das ist bisher die ganze Saison so gewesen. Mit Zuschauern wär’s natürlich schöner. Trotzdem sind wir dankbar, dass unser Sport stattfinden kann ...
Zur Person: Markus Eisenbichler (29) kommt aus Siegsdorf (Bayern) und ist bei der Bundespolizei angestellt. „Eisei“, so sein Spitzname, ist seit seinem achten Lebensjahr Skispringer. Sein Weltcup-Debüt gab er 2011. Nur ein Jahr später brach er sich im Training den dritten Brustwirbel und entkam nur knapp dem Rollstuhl, doch er kämpfte sich wieder heran: Bei der Nordischen Ski-WM 2019 in Seefeld sicherte er sich gleich drei Titel. In der Weltcup-Gesamtwertung liegt er auf Rang zwei. Seine Hobbys: Bergtouren, Klettern und Golfen. Eisenbichler ist vergeben.
Quelle: HNA / Weiler