SCW Kampfrichter im Einsatz
Von Berchtesgaden und Oberwiesenthal über Innsbruck, Lahti und Kuopio bis Vikersund
Kampfrichter des Ski-Clubs Willingen bei ihren Einsätzen stets mittendrin statt nur dabei
Angelika Göbel und Erik Stahlhut haben den Ski-Club Willingen in der abgelaufenen Skisprungsaison 2015/16 als Kampfrichter des Internationalen Skiverbandes (FIS) vertreten, Volkmar Hirsch war neben seinen Aufgaben als Wettkampfleiter beim FIS Skisprung Weltcup und beim FIS Continental Cup auf der Willinger Mühlenkopfschanze als Assistent des Technischen Delegierten (TDA) im Einsatz, und Dirk Bärenfänger, Torben Hirsch und Anita Wagner fungierten als Sprungrichter auf der nationalen Bühne für den Deutschen Skiverband (DSV) bzw. den Hessischen Skiverband (HSV). Das Sextett hat im vergangenen Winter, der seinen Namen aufgrund des ausbleibenden Schnees häufig keine Ehre gemacht hat, wieder wertvolle Erfahrungen an den Schanzen dieser Welt gesammelt.
Angelika „Geli“ Göbel auf großer Skisprung-Tour in Finnland
Angelika Göbel (Im Bild mit dem Rennleiter Mikka Jukkara in Lahti) trat mit großer Spannung die Reise nach Finnland an. Zunächst wurde sie beim Weltcup-Skispringen in Lahti für die Generalprobe (sogenannte „Vor-WM“) nominiert, denn im hohen Norden finden im nächsten Jahr die nordischen Ski-Weltmeisterschaften statt. Danach stand ein weiterer Einsatz in Kuopio auf dem Programm. Als im Januar die Tickets zuhause in Usseln eintrafen, war die Vorfreude auf die Wettkämpfe in Skandinavien „einfach riesig.“ Zuvor stand für die Upländerin noch der Einsatz beim Continental Cup an der Mühlenkopfschanze an, der eine Woche nach dem heimischen Weltcup Mitte Januar unter schwierigen Bedingungen stattfand. Angelika Göbel darf stolz darauf sein, als erste Frau am Mühlenkopf für ein internationales Skispringen nominiert worden zu sein. Mitte Februar ging es von Frankfurt mit dem Flieger in die finnische Hauptstadt Helsinki und von dort eine Autostunde weiter Richtung Norden nach Lahti. Das Hotel war in guter Reichweite zur Schanze, wo alles für die großen vier Tage als Mekka des nordischen Skisports vorbereitet wurde. Denn neben den Skispringern gingen auch die Nordisch Kombinierten über den Bakken, und auch die besten Skilangläufer der Welt waren zugegen, ein stressiges Programm wartete auf alle Beteiligten. Beim ersten Besuch des „fantastischen Skistadions“ nach der Anreise herrschte ein vertrautes Gefühl für „Geli“, denn wie in Willingen auch war wenige Stunden vor den Wettkämpfen alles in Aufbruchstimmung. „Überall wurde gehämmert, gewuselt, geschraubt und geschüppt“, so die SCW-Fachfrau. Dass die Akkreitierung mit einem netten Willkommensgruß bereits auf dem Zimmer lag, hat sie als „tollen Service“ empfunden. Leider musste der Donnerstag als erster Arbeitstag wegen zu viel Wind ausfallen. Neuer Versuch am Freitag, der durch die Ausfälle und das enge Zeitfenster kaum eine Chance zum Durchpusten ließ. Von acht Uhr am Morgen reihten sich die Trainings-, Probe-, Quali- und Wettkampfsprünge bis in den Abend aneinander, insgesamt waren rund 500 Sprünge auf Weltcup-Niveau an einem Tag zu werten. Ganz sicher auch ein Rekord, so dass die SCW-Kampfrichterin todmüde ins Bett fiel. Doch am Samstag ging es schon wieder früh weiter, denn der Team-Wettkampf der Kombinierer stand an. Die Pause zwischendurch vor dem geplanten Weltcup der Skispringer wurde genutzt, um beim Skilanglauf einmal die Besten der Besten aus nächster Nähe zu bewundern. „Das war toll, der kleinen großen Therese Johaug aus Norwegen beim Sprint mal in die Augen zu schauen“, so Angelika Göbel. Dann wieder zu viel Wind und der Jury-Entscheid, auf die Normalschanze auszuweichen. Nach Probe, Quali und zwei Wertungsdurchgängen war nicht etwa Feierabend, die Weiterfahrt nach Kuopio zur nächsten Station stand an, wo der Reisetross erst nach Mitternacht das Hotel erreichte. Dort ging übrigens nichts ohne Shuttle, zu weit waren die Entfernungen zur Schanze und zur Innenstadt. Wieder ein langer Tag mit vielen schönen Sprüngen, die es zu bewerten galt. Es entwickelt sich das Gefühl eines Zeitraffers, denn ruckzuck ist es nach getaner Arbeit wieder Abend. Und in Finnland wird es früh Abend. In Kuopio wurde auch noch der in Lahti ausgefallene Team-Wettbewerb der Spezialspringer nachgeholt. Nachdem auch am nächsten Tag die weiteren Wettkämpfe wie geplant abgewickelt waren, blieben zwischendurch drei Stunden Zeit für das „Wintermärchen Kuopio“. Danach dann das Finale der Skispringer, das Angelika Göbel mit gemischten Gefühlen erlebte. „Nach all dem Stress fing ich innerlich an zu frieren, so dass ich all meine Konzentration für gute Wertungen zusammen nehmen musste“, so die erfahrene Sprungrichterin. „Sehr geschafft, aber dennoch zufrieden und um viele Erfahrungen reicher“, so lautete ihr Fazit. Nach dem Wettkampf ging es schnell runter vom Turm, um das abschließende Feuerwerk mitzuerleben. Ihren Vereinskameraden Stephan Leyhe als Mitglied der deutschen Skisprung-Nationalmannschaft hat sie sozusagen nur im Vorbeilaufen ein flüchtiges „Gute Reise, Stephan“ zurufen können, denn für mehr Kommunikation reichte die Zeit nicht. Immerhin hatte sie aber den erfolgreichen „Upland-Adler“ auf den finnischen Schanzen mehrfach bewertet. Für den 24-jährigen Schwalefelder Stephan Leyhe und die Schützlinge von Bundestrainer Werner Schuster ging es noch am Abend weiter nach Helsinki, „Geli“ durfte sich nach rund 1600 bewerteten Sprüngen in nur vier Tagen verdientermaßen vor dem Heimflug nach getaner Arbeit etwas entspannen. Das waren tolle und unvergessliche Eindrücke bei der Finnland-Tour, aber „definitiv auch genug Sprünge für diesen Winter.“
Innsbruck und Vikersund – die Highlights von Erik Stahlhut
Was für ein schönes Gefühl für einen FIS-Kampfrichter, für die Vierschanzentournee als eines der Saison-Highlights nominiert zu werden. Denn der Fokus der Medien ist bei dieser traditionellen Veranstaltung in Deutschland und Österreich riesig. So war der „Hexenkessel von Innsbruck“ für Erik Stahlhut ein echter Höhepunkt. Ein volles Haus, tolle Stimmung und ein hervorragender achter Platz von Stephan Leyhe in der Qualifikation und Rang 21 in der Endabrechnung des legendären Wettkampfes am Berg Isel mit Blick vom Anlaufturm auf den Friedhof von Innsbruck. Tausendmal im Fernsehen bei den Live-Übertragungen thematisiert. Für einen solchen Blick hatte Erik Stahlhut derweil keine Zeit, galt es doch mit seinen Kollegen die richtigen Noten für Absprung, Flugphase, Landung und Ausfahrt zu geben. Das war höchste Konzentration vor den Augen der Welt angesagt.
Ein „absoluter Traum“ ist für Erik Stahlhut mit der Nominierung für das Skifliegen in Vikersund in Erfüllung gegangen – seine Premiere in dieser Dimension nach mittlerweile 16 Jahren als FIS-Sprungrichter. „Diese größte Flugschanze der Welt ist hinsichtlich ihrer Flugkurve genial konstruiert“, schwärmte der Nordhesse in Norwegen. Der „Monsterbakken“, wie die Schanze auch genannt wird, ermöglicht unfassbare Weiten. Dabei kommen einzelne Springer derart flach über den Vorbau, touchieren nahezu den Hang mit den Ski-Enden, um dann doch weit über die 200 Meter-Marke zu fliegen. Einfach fantastisch. Eine echte Herausforderung ist allerdings für die faire Wertung die Position des Kampfrichterturms des „Vikersundbakkens“ bei etwa 90 Metern. Auf einer Flugschanze quasi noch am Vorbau. „In der Geschichte des Skifliegens gab es an einem Wochenende noch niemals so viele Sprünge über 240 Meter“, berichtet Erik Stahlhut. Somit habe man viele der Athleten bis zu 150 Meter von hinten gesehen und bewertet. Es gab bei fantastischen Bedingungen eine Vielzahl von erstklassigen Flügen mit Telemark-Landungen aus dem Lehrbuch zu sehen. Der Skiflug-Weltrekordhalter Anders Fannemel (251,5 Meter) kombinierte bei seinem „Heimspiel“ aus Sicht von Erik Stahlhut „beides perfekt“, so dass er sich in den „Adler-Augen“ des erfahrenen Sprungrichters die Höchstnote 20 „mehr als verdient“ hatte. „Diese Note zu vergeben, kommt bekanntlich nicht oft vor“, so das SCW-Mitglied, „daher war es schon etwas ganz Besonderes.“ Eine ganze Reihe von Flügen mit konstanten Bewertungen oberhalb der Note 19 habe zudem die extrem hohe Qualität der Skiflieger „an diesem außergewöhnlichen Wochenende“ gezeigt. Sonnenschein und eine nahezu perfekte Thermik zum Abschluss der „Skiflug-Show von Vikersund“ am Sonntag habe derartige Weiten und Flüge überhaupt erst ermöglicht. Für Erik Stahlhut war es nach all den vielen schönen Erfahrungen in der Vergangenheit in der Tat „eine völlig neue Dimension und Perspektive“, so dass dieser Einsatz als FIS-Sprungrichter beim Skifliegen gewiss einen ganz besonderen Platz in den Karriere-Erinnerungen bekommen wird. Allerdings ist für Erik Stahlhut noch lange nicht Schluss, so dass er sich in seiner orangen SCW-Jacke als Hingucker auf viele weitere Einsätze in der internationalen Welt des Skispringens und Skifliegens freuen darf.
Winterberg, Courchevel, Rovaniemi, Berchtesgaden, Oberwiesenthal als weitere Stationen
Dass Skispringen mittlerweile ein Ganzjahressport ist, ist kein Geheimnis. Auch für die Kampfrichter des SC Willingen bedeutete dies, auch in den Sommermonaten auf Achse zu sein. Volkmar Hirsch (Links im Bild mit dem COC Koordinator der FIS, Horst Tielmann), der 2011 seine Ausbildung zum Technischen Delegierten (TD) abschloss, fungierte als TDA in Courchevel beim Sommer Grand-Prix erstmals auf Weltcup-Niveau. Dorthin nach Frankreich, wo er seine TD-Ausbildung absolviert hat und sich wohlfühlt, kehrte er für einen solch hochkarätigen Wettkampf gern zurück. An der Seite von Fredi Zarucci als erfahrenem TD klappe alles prima. „Fredi und ich haben uns prima ergänzt, das hat geklappt“, fasste Volkmar Hirsch seine druchweg positiven Eindrücke zusammen. Das Kontrastprogramm zum Sommer gab es dann kurz vor Weihnachten 2015 in Rovaniemi in Nordfinnland. „Das war gewaltig“, so Volkmar Hirsch. „Hier in Willingen viel zu warm und die grüne Wiese, dort in Rovaniemi bei der Anreise reichlich Schnee und bis zu minus 16 Grad Celsius.“ Und dann ging auch noch die Eisspur kaputt, die von den etwa 20 Helfern mühsam repariert werden musste. So fand der Wettkampf nicht am Vormittag, sondern erst am Abend statt. „Das war egal, weil es dort ohnehin im Winter gar nicht richtig hell wird“, so der Willinger weiter. Alles von früh bis spät fand unter Flutlicht statt.
Torben Hirsch hatte als jüngster aus der Gilde der Ski-Club-Kampfrichter seinen ersten Einsatz beim Deutschlandpokal im August letzten Jahres in Berchtesgaden beim Deutschlandpokal. Der junge Mann ging den Wettkampf mit seinen 23 Jahren selbstbewusst an und war durchweg zufrieden mit dem Auftakt. „Das war alles okay“, fasste Torben Hirsch das Geschehen kurz und bündig zusammen. Da Franz Rappenglück, Deutschlands Chef für alle TDs und Kampfrichter noch TDs für die nordische Kombination sucht, wird Torben Hirsch als ehemaliger Kombinierer diese Ausbildung im Sommer des Jahres in Seefeld angehen und betritt damit eine weitere Bühne, die berechtigte Hoffnungen auf internationale Einsätze macht. Der Willinger Dirk Bärenfänger (Foto rechts) hatte bei seinem geplanten Einsatz wenig Glück. Er war als Kampfrichter für den Deutschlandpokal in Oberwiesenthal Anfang Dezember 2015 nominiert worden. Nach der Anreise kam dann das große Erwachen. Im Auslauf der dortigen Schanze im Heimatort von Skisprunglegende Jens Weißflog hätte für einen möglichen ordnungsgemäßen Wettkampf eine riesige Eiskruste aufgebrochen werden müssen. Aber für die dazu benötigte Pistenwalze gab es nicht die benötigte Genehmigung, um dorthin transportiert werden zu können. So wurde die Konkurrenz in der Mannschaftsführersitzung kurzerhand abgesagt und nach Seefeld verlegt. Der gesamte Sportlertross musste nach Österreich reisen, wo aber neue Kampfrichter zum Einsatz kamen. Diesen „Einsatz“ für nichts und wieder nichts wird Dirk Bärenfänger sicherlich nicht gerade positiv gestimmt noch lange in Erinnerung behalten. Auch Anita Wagner (Foto links), die das Skispringen lebt und neben dem Einsatz als „Free Willi“ auch bei den Skifreunden in Titisee-Neustadt beim dortigen Weltcup-Skispringen als freiwillige Helferin dabei war, hatte ihre erste Sprungrichter-Nominierung im vergangenen Jahr. Im Herbst war sie in Winterberg beim Deutschen Schülercup unter den Kampfrichtern an der Schanze und sammelte wertvolle Erfahrungen. „Ich war total aufgeregt, das erste Mal beim Schülercup zu werten“, fasste Anita Wagner ihre Gefühlslage zusammen. Am ersten Wettkampftag standen Springen und Laufen auf dem Programm, am zweiten Wettkampftag gab es den Teamsprint. Mit ihrer Premiere zeigte sich die SCW-Kampfrichterin „ganz zufrieden.“ Mit großer Spannung sehen die sechs Sprungrichterinnen und Sprungrichter des Ski-Club Willingen den zukünftigen Aufgaben entgegen, auf die sie sich schon jetzt sehr freuen. Auch beim Sommer Grand Prix 2016 sowie im Winter 2016/17 wird der SCW national und international wieder bestens repräsentiert werden.
Dieter Schütz - Weltcup-Pressechef