Weltcup-Splitter 26.12.2018
Schuster: Wir sind gut aufgestellt
Lange Zeit kämpften Karl Geiger und Stephan Leyhe um den vierten Platz im Quartett der DSV-Adler bei den Team-Wettbewerben gegen die Etablierten wie Severin Freund, Richard Freitag, Andreas Wellinger oder Markus Eisenbichler. Bei Olympia 2018 standen plötzlich beide in der Mannschaft - und gewannen die Silbermedaille.
Im nacholympischen Winter wirbeln die beiden Skispringer die interne Hackordnung kräftig durcheinander. Vor der 67. Vierschanzentournee, die am 29. Dezember in Oberstdorf als „Heimspiel“ für Geiger beginnt, rangieren der Lokalmatador und der Willinger „Upland-Adler“ im Gesamt-Weltcup auf den Plätzen vier und sechs, Olympiasieger Wellinger ist Neunter.
Geiger stellte bei der Generalprobe in Engelberg am Samstag mit seinem ersten Weltcupsieg überhaupt die Rangordnung völlig auf den Kopf: Rückkehrer Severin Freund („Für mich kommt die Tournee wahrscheinlich noch zu früh, Aufgeben ist aber kein Thema“) auf dem letzten Platz, Karl Geiger ganz oben auf dem Podest. Leyhe (Foto) als Sechster sprang wieder vorne rein, nachdem er in der Probe sogar der Beste war.
Der Sieg des 25-Jährigen Allgäuers war nicht nur für ihn selbst eine Überraschung und Erlösung zugleich – auch für die Mannschaft. „Dass ich mal ganz oben stehen darf, hätte ich so nicht gedacht. Genial!“, sagte Geiger. Er hatte es zuvor erst einmal, im Jahr 2016, als Zweiter auf das Podium geschafft, sich über die Jahre Schritt für Schritt weiter nach oben gearbeitet. So wie auch „Upland-Adler“ Leyhe, der erst in diesem Winter in Wisla erstmals im Einzelwettbewerb als Zweiter einen Podestplatz schaffte.
„Das gibt Vertrauen in die eigene Stärke, um dann mit einer starken Truppe in die Vierschanzentournee zu gehen“, sagte Bundestrainer Werner Schuster. In der Tat: Die Ergebnisse von Geiger und Leyhe tun in dieser Situation gut. Freund sucht nach alter Stärke, der nach einem Sturz wieder angeschlagene Freitag konnte noch nicht glänzen, Wellinger und Eisenbichler suchen weiter nach konstanten Topsprüngen.
„Andere Teams müssten verzweifeln. Umso stolzer bin ich. Geiger und Leyhe haben einen deutlichen Schritt nach vorne gemacht, auch Selbstvertrauen gewonnen“, sagt der Österreicher. Und fügt vor den Fernsehkameras hinzu: „Stephan Leyhe hätte genauso das Potenzial für die Eins, er muss aber noch diese mentale Hürde nehmen.“
Am Sonntag in Engelberg landete Geiger dann als Vierter, Leyhe als Elfter. Im Gesamtweltcup rangieren beide unter den Top ten. Der neue Siegspringer sagt, was auch für Leyhe gilt: „Ich kann entspannt antreten, weil ich weiß: Wenn ich gut springe, kann ich aufs Podest kommen.“ Um realistisch hinzuzufügen: „Ich gehe nicht mit der Erwartung an den Start, gewinnen zu müssen oder die Welt zu zerreißen. Keiner erwartet von mir, dass ich jetzt plötzlich zum Seriensieger werde.“ Abheben tun die beiden Skispringer nur auf der Schanze. Anzeige
Der erste Saisonsieg für die DSV-Adler und die guten Platzierungen sind dennoch enorm wichtig, Vorhersagen sind bei der Vierschanzentournee zur Jahreswende trotz der vermeintlichen Übermacht von Ryoyu Kobayashi aus Japan und der wieder ansteigenden Form von Titelverteidiger Kamil Stoch aus Polen sowieso immer mehr als schwierig – das hat die Geschichte oft genug gezeigt. „Man wartet in Deutschland seit Jahren auf den Tourneesieg“, sagt Schuster und fährt kühn fort: „Dann macht’s der Leyhe, wer weiß das schon. Ich weiß es nicht. Es gibt eine gewisse Eigendynamik.“
Für Leyhe ist Oberstdorf nach der Weihnachtspause das 100. Weltcupspringen seiner Karriere. Ein Jubiläum. Und feiern kann der Willinger, der immerhin schon einen achten Platz in der Tournee-Gesamtwertung aufweisen kann, auf jeden Fall. Am 5. Januar, am Tag der Qualifikation für das Finale in Bischofshofen, begeht er seinen 27. Geburtstag.
Die Streichholzschachtel am Sprungski
Alexander Stöckl, österreichischer Trainer der Norweger, steht der Neuerung positiv gegenüber."Für uns ist das eine kleine Revolution. Bislang waren das alles nur Schätzungen. Jetzt können wir uns wirklich anschauen, warum wer so weit springt", sagte der Österreicher Stöckl wenige Tage vor der Vierschanzentournee über das Sensor-System, das an den Skibindungen angebracht wird und viele zusätzliche Informationen liefert, so wie die Geschwindigkeit eines Springers in der Luft. Mit der neuen Sensortechnik, die so groß wie eine Streichholzschachtel ist und zehn Gramm wiegt, sowie mehreren um den Schanzentisch installierten Kameras bekommen Trainer, Athleten, Journalisten und Zuschauer Informationen über die Anlauf- und Absprungperformance, den Flug und die Landung. In dieser Saison ist der Einsatz der Technik freiwillig. Bei der Vierschanzentournee werden die Daten auch im Fernsehbild eingeblendet. Man darf gespannt sein, ob sie auch dem normalen Fan etwas bringen.
Schlierenzauer nicht zur Tournee
Gregor Schlierenzauer nimmt nicht an der 67.Vierschanzentournee teil. Der 28-Jährige zweimalige Gesamtsieger visiert die die Nordische Ski-WM in Seefeld an. Mit Blick auf das Highlight arbeitet er an einer neuen Sprungtechnik. "Ich habe das Gefühl, dass er auf einem guten Weg ist", sagte der österreichische Cheftrainer Andreas Felder. Aktuell käme eine Rückkehr in den Weltcup-Zirkus aber noch zu früh, betonte Felder: "Er soll sich erst einem Wettkampf stellen, wenn er das Gefühl hat, wirklich bereit zu sein". Ein konkretes Datum für ein Comeback gibt es noch nicht. Es könnte auch Willingen sein.
Noriaki Kasai seit 30 Jahren im Weltcup
Vor genau 30 Jahren feierte Noriaki Kasai in Sapporo beim Sieg der finnische Skisprung-Legende Nykänen vor Dieter Thoma sein Weltcup-Debüt. Seit seinem Karrierestart hat sich auch im Skispringen einiges verändert. Der früher übliche Parallel-Sprungstil war überholt. Kasai musste sich Anfang der 90er Jahre umstellen - und war im V-Stil erfolgreich. Sein größter Triumph gelang ihm 1992 in Harrachov, als er Skiflug-Weltmeister wurde. 2014 war er der erste Skispringer über 40, der ein Weltcup-Einzel gewann. Mit 44 Jahren stellte er den Altersrekord für einen Podestplatz im Einzel auf. Er gewann neun Medaillen bei Olympia oder WM. Und bestritt bisher 549 Weltcup-Skispringen! Vor den Winterspielen in Pyeongchang, als Kasai die japanische Fahne bei der Eröffnungsfeier trug, hatte der Routinier gesagt: «Mein größter Traum ist immer noch, bei den Olympischen Spielen Gold zu gewinnen.» Damals hatte er noch auf ein Olympia-Heimspiel 2026 in Sapporo gehofft. Daraus wird nichts. Sapporo will sich jetzt erst für 2030 bewerben. Kasai droht schon in diesem Winter das Karriereende.
Hannawald weiter bei „Eurosport“
Sven Hannawald (Foto mit Matthias Bielek) und Eurosport bauen ihre Zusammenarbeit langfristig bis einschließlich den Olympischen Winterspielen Peking 2022 aus. Seit der Saison 2016/17 ist Sven Hannawald im Eurosport-Team und zusammen mit Kommentator Matthias Bielek als Co-Kommentator am Mikrofon. Das beliebte Duo begleitet den kommenden Weltcup-Winter inklusive aller Highlights wie die Vierschanzentournee oder die Nordische Ski-WM. Und natürlich auch „Willingen/5“, das Weltcup-Triple vom 15. bis 17. Februar 2019 auf der Mühlenkopfschanze. In seiner Funktion als Eurosport- Experte ist der Olympiasieger von Salt Lake City 2002 und erster Grand Slam-Sieger bei der Vierschanzentournee vor zwei Jahren zurück an die Skisprung-Schanzen gekehrt und begeistert die Zuschauer seitdem mit seiner Fachanalyse, exklusiven Einblicken in die Skisprungwelt sowie mit seiner emotionalen Kommentierung und sympathischen Art.