Weltcup-Splitter (3)
Wie der Wahnsinn zum Kult geworden ist
Im Sauerland sagt man, was drei Mal stattgefunden hat, ist Tradition. Der Willinger Weltcup auf der Mühlenkopfschanze war schon 1999 nach der dritten Austragung auch Kult. Wer den Begriff „Kult-Weltcup“ geprägt hat, ist nach 30 Jahren immer noch ein Rätsel, so wie auch nicht mehr festzustellen ist, wer die vielen freiwilligen Helfer als „Free Willis“ getauft hat. Wie dem auch sei: Der Wahnsinn an der größten Großschanze der Welt hat sich zu einem Qualitätsbegriff gemausert.
Um die weltbesten Skispringer an zwei Tagen präsentieren zu können, ließ sich der Ski-Club schon zur Premiere 1995 etwas Besonderes einfallen. Man kaufte Bischofshofen der Vierschanzentournee 1994/95 die abendliche Siegerehrung ab und ließ die weltbesten „Adler“ direkt von der Paul-Außersleitner-Schanze per Charterflugzeug via Salzburg und Paderborn nach Willingen einfliegen. Schon der Sektempfang am Weltcup-Flughafen Paderborn stimmte die bis dahin gestressten Skispringer und ihren Tross wieder positiv ein. Auch Hugo Kassel, der langjährige Macher des Tourneefinales in Pongau schloss angesichts der Mehreinnahmen für seinen Ski-Club Frieden mit den Willingern, denen er noch eine Klage angedroht hatte, als diese im Rahmen des Storytellings über ihre Premiere vom „fünften Springen der Vierschanzentournee“ auf ihrer Großschanze gesprochen und geschrieben hatten.
35.000 Zuschauer, ein vielumjubelter Sieg des Österreichers Andreas Goldberger, der bei der Siegerehrung im Sauerland Stern mit der Schirmherrin und Regierungspräsidentin Inge Friedrich ein Tänzchen wagte und dabei schon sein Talent für die Dancing-Star-Show des österreichischen Fernsehens ORF andeutete, und ein großes Medienecho brachten dem Ski-Club Willingen auch auf Anhieb den Pokal für den medienfreundlichsten Weltcup-Ort des „Forum Nordicums“ ein. Auch rückte Willingen mit seinen vielen ehrenamtlichen Helfern und seinem auf Anhieb professionellen Umfeld schnell in die Kategorie der A-Veranstalter des Weltverbandes FIS auf. Die neue Mühlenkopfschanze wurde mit einem Award des Internationalen Olympischen Komitees ausgezeichnet. Nicht erst der Privatsender RTL fuhr Millionen-Einschaltquoten im TV ein.
Willingen war in aller Munde, endgültig vorbei die Zeit, in der Bulgariens Skispringer Villingen statt den Waldecker Wintersportplatz ansteuerten. Auch wenn sich Boxweltmeister Henry Maske oder ein namhafter RTL-Regisseur von einem Navigationssystem in den gleichnamigen Ort im Westerwald verführen ließen. Geschickt nutzte der Ski-Club auch das Internet und die sozialen Medien für Werbung und den Ticketverkauf als andere diese Möglichkeiten noch nicht erkannt hatten oder erkennen wollten. Die Sportler und ihre Betreuer waren nicht nur von der größten Großschanze der Welt beeindruckt, lobten auch die Betreuung von den „Free Willis“ und die allgemeine Begeisterung für ihren Sport in der gesamten Region. „Hier wird Skispringen gelebt“, heißt es immer wieder.
Sepp Weiler hatte den ersten 100-Meter-Satz im Strycktal gestanden, später purzelten die Rekorde bis zu den heutigen Bestmarken jenseits der 150-Meter-Marke, gelang Lokalmatador Stephan Leyhe sogar sein erster Weltcup-Sieg und schwärmten auch die Skispringerinnen nach ihrer Premiere auf der größten Großschanze der Welt von der Party mit 23.500 Edel-Fans – so viel wie noch nie zuvor bei einem Wettbewerb für die besten Mädchen und Frauen auf einer Schanze. Längst tragen die Männer und Frauen ihre Weltcups wie auch vom 31. Januar bis 2. Februar 2025 wieder gemeinsam auf der Mühlenkopfschanze aus, so wie es ab 2026/27 möglichst an allen Weltcup-Stationen sein soll. Und wieder einmal ist Willingen Vorreiter und Test-Ort für die FIS-Offiziellen wie Walter Hofer oder Sandro Pertile geworden, die sich längst einig sind: „Willingen hat Maßstäbe gesetzt.“