Weltcup-Splitter 30.12.2020
Geiger trug Fahne von Kasachstan
«Als kleiner Junge stand ich unten an der Schanze und bewunderte die Springer während der Tournee. Bei der WM 2005 durfte ich als Fahnenkind dabei sein», erinnerte sich Karl Geiger, nachdem er am Dienstag das Auftaktspringen der 69. Vierschanzentournee gewonnen hatte. Damals sei es auch okay gewesen, «die Fahne aus Kasachstan zu tragen, obwohl man natürlich viel lieber die deutsche gehabt hätte». Diesmal trug er im coronabedingt leeren Skisprungstadion am Schattenberg keine Fahne, sondern den silbernen Siegerpokal. «Und nun steh ich hier und gewinne in diesem Stadion... Zuhause! Es ist ein unbeschreibliches Gefühl! Ein Heimsieg, den ich mir immer erträumt habe», schrieb Geiger in den sozialen Netzwerken weiter. Knapp 16 Jahre nach den bislang letzten Titelkämpfen in Oberstdorf steht ab 23. Februar 2021 die nächste Nordische Ski-WM im Allgäu auf dem Programm. Skiflug-Weltmeister und Tournee-Auftaktsieger Geiger wird dann zum engsten Favoritenkreis zählen.
Andreas Wellinger: „Sau zäh“
«Es ist momentan sau zäh», sagte Andreas Wellinger, der Olympiasieger von 2018, nach seinem Aus im ersten Durchgang in Oberstdorf. «Mir fehlt im Moment das Gefühl und die Leichtigkeit auf der Schanze.» Nach einem Kreuzbandriss und langer Pause war der Bayer in diesem Winter in den Weltcup zurückgekehrt. Von der Verfassung vergangener Tage ist er allerdings noch weit entfernt. Seine Weltcup-Ergebnisse haben sich zwischen Rang 42 im finnischen Ruka und Platz 32 in Engelberg in der Schweiz eingependelt. Einen Weltcup-Punkt hat der frühere Siegspringer noch nicht. Wenn Stefan Horngacher sein Tournee-Team nach dem Neujahrsspringen von Garmisch-Partenkirchen verkleinern muss, droht Wellinger aus dem Kader zu rutschen. Unruhig wird der passionierte Wellenreiter aber nicht. «Das Gefühl kann man nicht erzwingen, der Winter ist noch lang.“
„Eisei“ will es wieder wissen
Nach seinem turbulenten Auftritt zum Auftakt der Vierschanzentournee will Skispringer Markus Eisenbichler bei der zweiten Station in Garmisch-Partenkirchen wieder sein hohes Niveau abrufen. «Ich hoffe, dass ich es nicht wieder so spannend mache. Meine Mum hat schon geschrieben, dass sie fast einen Herzinfarkt gekriegt hat», sagte der 29-Jährige Weltmeister mit einem Lächeln. «In Garmisch versuche ich einfach, zwei normale gute Sprünge zu machen, und dann mal schauen, was da rauskommt.» Am Dienstag hatte Eisenbichler in Oberstdorf zunächst einen ungewohnt schwachen Sprung gezeigt und sich dann mit der Tageshöchstweite von 142 Metern von Platz 27 auf den fünften Rang nach vorne gearbeitet. «Es war gestern einfach ein schöner Tag», sagte der Bayer, der im Team «Eisei» genannt wird, und meinte damit auch den Sieg von Kumpel Karl Geiger. Tags zuvor hatte sich Eisenbichler noch über die Organisation an der Schattenbergschanze aufgeregt. Am Dienstag klappte es dann aus seiner Sicht besser: «Auf einmal läuft die Chose. Mein Kritik war ein bisschen hart.»
Top-Quote zum Tournee-Auftakt
5,43 Millionen Zuschauer bei einem Marktanteil von 25,4 Prozent verfolgten am Mittwoch das „Geisterspringen“ aus Oberstdorf im ZDF. Schon bei der der Qualifikation am Vortag, die am Ende ohne Gültikeit blieb, weil Polens Skispringer doch starten durften und das K.o.-System außer Kraft gesetzt werden musste, waren über vier Millionen Skisprung-Fans am Bildschirm dabei gewesen.
COC in Willingen: 2016 war Geiger noch dabei - Noriaki Kasai will im Februar wieder dabei sein
Am Denstag ging für Karl Geiger ein Traum in Erfüllung. Noch eine Nummer größer als der Triumph von Stephan Leyhe im vergangenen Winter bei seinem „Heimspiel“ auf der Mühlenkopfschanze. Denn „Karle“ gewann nach seinem Trumph bei der Vierschanzentournee, der Geburt seiner Tochter und einer Corona-Pause das Auftaktspringen der Vierschanzentournee am Schattenberg in Oberstdorf, wo der Skispringer zu Hause ist. Kaum zu glauben, aber wahr: 2016, als Leyhe erstmals für Andreas Wank in das Skiflug-Team bei der WM am Kulm rutschte und zusammen mit Freund, Wellinger und Freitag Silber gewann, startete Geiger noch beim Continentalcup auf der Mühlenkopfschanze, wo nach heftigem Schneefall an einem Tag zwei Wettkämpfe ausgetragen werden mussten.
Der heutige Überflieger aus Oberstdorf landete damals noch nicht einmal unter den Top ten, als David Siegel und auch Pius Paschke auf dem Treppchen standen. Mit Tom Hilde und Rune Velta aus Norwegen, Armin Kogler und Thomas Diethart aus Österreich und vielen anderen vorher oder nachher zu Topspringern gereiften Athleten hatten die von Horst Tielmann geleiteten Wettbewerbe in den Österreichern Altenburger und Huber zwei würdige Sieger.
Vom 5. bis 7. Februar sollen nun gar vier COC-Springen in Willingen ausgetragen werden. Neben den beiden Lokalmatadoren Paul Winter und Simon Spiewok werden auch dieses Mal parallel zum von Sapporo nach Klingenthal verlegten Weltcup einige Topspringer am Start sein, die aktuell nicht zu den besten in ihren Ländern zählen, aber Wettkampfpraxis suchen, um sich wieder ins Gespräch zu bringen. Etwa Japans Skisprung-Legende Noriaki Kasai, der unter allen Umständen noch einmal nach Willingen kommen will. Vielleicht sogar Olympiaseiger Andreas Wellinger oder der wieder aus der Heimat nach Oberstdorf gewechselte Richard Freitag. Siegel und Paschke, die „Helden“ von 2016 spekulieren wie Severin Freund mit weiteren Weltcup-Starts. Auch zuvor in Willingen, wo Pius Paschke eigentlich den viel zitierten „Weltcup-Wahnsinn“ erleben wollte, jetzt aber auch mit einem „Geisterspringen“ vom 29. bis 31. Januar vorlieb nehmen muss.
Continental Cups in Willingen gab es auch schon 1998 (Sieger: Gregor Lang/SLO und Jakub Janda/CZE) sowie 2003 (Michael Möllinger).