Weltcup-Splitter 9.2.2020
„Willingen ist einfach Willingen“
Hannawald: „Ein Tag, den niemand vergessen wird“
Wer es bisher nicht geglaubt hat, wurde am Samstag in Willingen eines besseren belehrt: Märchen können tatsächlich wahr werden. Stephan Leyhe ist der neue König vom Mühlenkopf. Der Upland-Adler gewann ausgerechnet seinen allerersten Weltcup zum Jubiläum „25 Jahre Weltcup Willingen“ auf der größten Großschanze der Welt, „seiner“ Heimschanze, und räumte dabei gleich richtig ab. Sieg in der Qualifikation und 3.000 Preisgeld, Sieg im 49. Weltcupspringen in Willingen inklusive 100 Punkte und 9.300 Euro Preisgeld, Extrapämie von 25.000 Euro für die Gesamtwertung von „Willingen/5“, das nach der Absage des 50. Weltcups am Sonntag in nur drei Durchgängen entschieden wurde.
Ein Drehbuch, das einen Oskar verdient hätte. Die „Free Willis“, die über 1.400 freiwilligen Helfer des Ski-Clubs, kämpften im Jubel der 23.500 Zuschauer mit den Tränen oder heulten Rotz und Wasser. Niemand schämte sich seiner Tränen, alle freuten sich mit Stephan Leyhe und auch seine Konkurrenten von Karl Geiger über Kamil Stoch bis Stefan Kraft gönnten ihm seinen ersten Weltcup, noch dazu daheim. Und nicht nur Sven Hannawald zog den Hut vor dem 28-Jährigen: „Willingen ist einfach Willingen und mit dem Sieg von Stephan Leyhe war es ein Tag, den niemand vergessen wird. Auch icht nicht. Danke@ Stephan Leyhe.“
Damit schloss sich ein Kreis. Denn die erste Schanzen-Begegnung von „Hanni“ und Stephan war am Wochenende genau 17 Jahre her. Als Kinder-Reporter des "Tigerenten Club" hatte der damals elfjährige Leyhe mit einem Mikrofon bewaffnet die Aufgabe, die aktiven Sportler mit seinen Fragen zu löchern. An der Mühlenkopfschanze schnappte sich der skisprungbegeisterte Youngster dann keinen geringeren als Hannawald. "Was ist so toll am Skispringen?", fragte Leyhe damals. Der Olympiasieger und erstmalige Tournee-Vierfachsieger antwortete in aller Kürze: "Probier' es einfach mal aus."
Gesagt, getan! Ein großer Tag für Stephan Leyhe, ein großer Tag für Willingen und Schwalefeld, der in einer langen Nacht an verschiedenen Orten gefeiert wurde. Epizentrum der Feierlichkeiten war wieder einmal die Küche im Hause Leyhe, die schon einige spontane Medaillenfeiern erlebt hatte. Übrigens: Stephans Mama war während der Party an der Schanze wieder im Keller zum Bügeln verschwunden und hatte dort immer wieder verstohlen einen Blick auf den Liveticker geworfen.
Das Alles ließ die vom Krisenstab in voller Verantwortung für die Sicherheit aller entschiedene Absage des Sonntag-Springens wegen Orkan Sabine leichter ertragen. Allerdings sollen sich am Sonntagmorgen, als viele Springer schon wieder abgereist waren, nicht wenige „Free Willis“ in den Arm gezwick habent, um festzustellen, ob das alles wirklich wahr gewesen ist.
Walter Hofer soll als VIP oder „Free Willi“ wieder kommen
Ein Vierteljahrhundert FIS Weltcup Skispringen in Willingen ist auch 25 Jahre Walter Hofer im Waldecker Upland. Der FIS-Renndirektor, der nach der Skiflug-WM zum Saisonende in Planica endgültig in Ruhestand geht, wurde ebenso wie der eng mit dem Ski-Club-Willingen verbandelte COC-Rennleiter Horst Tielmann nach dem Samstag-Weltcup im „Aufwind“ verabschiedet – mit einem Rimova-Koffer und einem Reisegutschein „fern ab der Sprungschanzen“, so OK-Chef Jürgen Hensel, der die Zusammenarbeit mit den FIS-Funktionären lobte. Er lud Hofer ein, als VIP oder aber auch als „Free Willi“ nach Willingen zurückzukehren. Der Österreicher schreckte jedoch auf, als Hensel später alle „Free Willis“ um acht Uhr zum Abbau und Aufräumen an die Schanze beorderte. „Dann muss ich ja auch schon früh aufstehen.“ Zahlreiche OK-Delegationen aus Klingenthal, Titisee-Neustadt, Hinterzarten oder Bischofshofen gratulierten dem Ski-Club zur gelungenen Veranstaltung, den Heimsieg von Stephan Leyhe und verliehen der Verabschiedung zusätzlich eine besondere Note.
3,21 Millionen sahen Willinger Finale
Die ARD-Übertragung aus Willingen schickte dank Regisseur Thomas Strobl und der erstmals von Rudi Tusch in Willingen eingesetzten neuen Seilkamera tolle Bilder in alle Welt. Sogar NBC Gold übertrug live in Amerika. 3,21 Millionen Fans saßen bei der packenden Reportage von Tom Bartels im Finale im Ersten am Bildschirm, was einen Marktanteil von 19,3 % bedeutete. Dazu kommen noch einige hundertausend Eurosport-Zuseher, die Matze Bielek und Sven Hannawald ebenfalls emotional mitgenommen haben. Auch das Hessenfernsehen sendete fast rund um die Uhr in allen Standardsendungen aus Willingen. Auch das Echo in den Print- und sozialen Medien war enorm. Beste Werbung für den Weltcup-Ort aus allen Kanälen.
Göbel Fünfte in Brotterode – Puk Achter bei der DM
Skispringen in Willingen ist nicht nur Stephan Leyhe. Beim Continental Cup in Brotterode belegte Michelle Göbel einen tollen fünften Platz, bei den deutschen Schülermeisterschaften in Berchtesgaden belegte Janne Puk einen guten achten Platz. Robin Kloss belegte unter 58 Startern Platz 18.